Ärgernisse des Jahres 1998

  1. Die Jahreszeiten. Die könnten sich wieder einmal auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren, um eine klarere Positionierung hinzukriegen.

  2. Die kostspieligen Gebühreneinheiten, die die Damen und Herren von der Telefonauskunft immer verplempern, indem sie ungefragt ihren Namen rausposaunen, den man nicht wissen will und auch sofort wieder vergisst. Derweil sie bei der Suche nach dem, was man wirklich wissen möchte, oft kläglich versagen.

  3. Plastikeinschweissungen, die derart réduitmässig fabriziert sind, dass es einen spitzen Gegenstand zum Öffnen braucht, der das Produkt garantiert verkratzt.

  4. Plastikeinschweissungen bei Kassetten sind oft doppelt und damit doppelt überflüssig.

  5. Den Fortschritt im Computerprogrammwesen. Gerne hätten wir einmal Zeit, halbwegs zu kapieren, was die vorhandenen Programme eigentlich können und wie man sie dazu bringt, es auch zu machen, bevor schon wieder eine fehlerbehaftete neue Version kommt.

  6. Elektronische Geräte, die mit der Lüge angepriesen werden, sie seien fürs nächste Jahrtausend, wo wir doch genau wissen, dass sie in spätestens zwei Jahren hoffnungslos veraltet sind - falls sie überhaupt so lange funktionieren.

  7. Die Schmirinski's, die sich selbst für die schmiriksten PR-Gags nicht zu blöde sind und einem penetrant aus jedem Regenbogenblättchen entgegengrinsen.

  8. Das Mysterium der schmutzigen Brillengläser, das darin besteht, dass Brillengläser immer schmutzig sind, obwohl man sie nicht berührt hat.

  9. Die Pausenmusik in der Warteschlaufe bei Firmen mit schlechtem Telefonservice, die die Warterei übertünchen soll, ist ein noch grösseres Ärgernis als die vertrödelte Zeit.

  10. Das technische Kauderwelsch, mit dem uns Handyhersteller, Videoproduzenten und Stereoanlagenkrämer Produktevorteile und technischen Fortschritt vorgaukeln, der in Tat und Wahrheit Schnickschnack ist und den ohnehin nie jemand kapieren, geschweige denn bedienen können wird.

  11. "Jahrhundertkonzerte", "Jahrhundertausstellungen" und "Jahrhundertevents". Der schmückende Zusatz "Jahrhundert-" für alles, was man nächste Woche noch nicht vergessen hat, beweist, dass man keinen Schimmer hat, dass ein Jahrhundert 100 Jahre dauert, in denen ganz viel passiert und deshalb nur wenige Sachen das ganze "Jahrhundert" prägen.

  12. Feministen.

  13. Neue Kleider, bei denen gleich einmal die Knöpfe wegfallen. Bevor das ganze Stück auseinander fällt.

  14. Die Ausrede von kritikunfähigen Damen, Zweifel an ihrem Tun und Walten würden ja nur wegen ihrer Geschlechtsmerkmale laut, derweil Mannsbilder für die genau gleichen Schlampereien nur Lob einheimsen würden.

  15. Schlagzeugsolos an Konzerten. Das Trommler-Ego lässt sich doch auch mit der Selbsthilfe-Schwarte "Du-bist-ok-ich-bin-ok" massieren.

  16. Feng Shui. Denn wenn diese superausbalancierte Einrichtungsmethode wirklich so ein klasse Wohlfühlambiente erzeugen würde, wären doch nicht die meisten China-Restaurants Take-aways.

  17. Das Gesetz, das vorschreibt, dass bei jeder Action-Streifen-Verfolgungsjagd alle beteiligten Wagen wenigstens einmal durch einen Gemüse- und Obststand hindurchrasen müssen.

  18. Dieser kränkelnd zartbesaitete Zug unseres Kubilay Türkyilmaz. Wo bleibt der Kampfgeist befördernde Underdog-ich-will-nach-oben-Biss?

  19. Die Grenzen zu Europa und das Anstehen in einer langen Schlange für Nicht-EU-Bürger.

  20. Zum millionsten Mal an der Migros-Kasse gefragt zu werden, ob wir wirklich keine Cumulus-Karte wollen. Neeeeeeeeein!!!

  21. Jugendliche, die sich selbst winters im Schneidersitz auf dem kühlen Boden niederlassen, wenn sie auf den Zug warten, weil sie in ein paar Jahren wegen chronischer Blasenentzündung ständig aufs Klo rennen und alle Welt nerven werden.

  22. Die Snöberjugend, die jede Hoffnung darauf zerstört, dass wir im Ski fahren jemals wieder jemand sein werden.

  23. Vom Supermarkt über das Speiselokal bis zur Kinotoilette allerorts mit Musik zugeschallt zu werden.

  24. Gigantische Abfindungen, die irgendwelche Pfeifen nachgeschmissen kriegen, bloss weil sie oberste Pöstler oder Banker sind.

  25. Rockpromo-Dumpfnasen, die in ihren platten Propagandatexten das englische "the ultimate band" statt korrekt mit "die endgültige Band" zu übersetzen - was ja immer noch verlogen genug wäre - in die "ultimative Band" verwandeln, was unbedingt falsch ist, weil Bands nix mit Ultimaten am Hut haben.

  26. Die Champions League, die nicht von Meistern bestritten wird. Und für die Reichen und Reichsten unter den Grossklubs einen Modus ersonnen hat, für dessen Verständnis mindestens fünf Semester Mathematikstudium nötig sind.

  27. Das Kraftwort "geil". Samt allen Steigerungsformen wie "mega-" oder "ultra-".

  28. Kinderterror im Flugzeug. Kinderfreie Abteile sind mindestens so wichtig wie rauchfreie und könnten im knallharten Konkurrenzkampf die entscheidende Serviceleistung für qualitätsbewusste Kunden werden.

  29. Die Combox-Mitteilung "Sie haben keine neuen Faxmeldungen", wenn man seine Combox von irgendwoher abhört. Natürlich hat es keine Faxmeldungen, das zugehörige Handy ist ja auch nicht faxfähig!

  30. T-Shirts mit aufgedruckten Botschaften. Es ist doch eine Frechheit, wenn dahergelaufene Subjekte, mit denen man nichts zu bereden hat, meinen, man möchte von ihrem Hemdchen etwas mitgeteilt kriegen.

  31. Verzichten wollen wir 1999 auf die folgenschwere Furzidee, gemeinsam mit den letzten Partygästen auch noch diesen obskuren, dickflüssigen und giftgrünen Likör alle zu machen, bloss weil es sonst nichts Alkoholisches mehr im Haus hat und sich der dräuende Kater noch etwas hinauszögern lässt.

  32. Der Franken, der einem für einmal Pinkeln in McClean-Toiletten ausgerissen wird. Freies Schiffen für freie Bürger!

  33. Wenn man im Fastfood-Restaurant jedes Mal eine lange Schlange vorfindet und zwar zu minderwertigem "Food" kommt, aber nie im Leben "fast".

  34. Die unzähligen Passwörter, mit denen man sich bis zum Internet durchklickt, bloss um dann gleich wieder von Neuem Passwörter von sich geben zu müssen.

  35. Dieses hirnamputierte Zugabenritual an Rockkonzerten, weil der ganz grosse Hit am Schluss ohnehin gespielt wird. Der ist nämlich im horrenden Preis inbegriffen. Warum also muss man sich erst noch die Hände wund klatschen?

  36. Diese endlosen Sextelefon-Werbungen, die nächtens Filme auf deutschen Kommerzsendern unterbrechen und einem auf den Sack gehen, mit silikongeblähten Damen, die ihre Telefonnummer vorsingen.

  37. Die prestigeversessenen Asiaten, die die besten Bordeaux-Weine zusammenkaufen und sie dann zur Konsumation mit Coca-Cola mischen.

  38. Das Hypochonder-Gesetz: Wer sich eine Sendung mit noch so abartigen Krankheiten ansieht, fürchtet sofort, davon befallen zu sein.

  39. Augenzwinkernden Kitsch, Schwuchtelbarock und guten Badtaste in Form von Plastikblumen, Heiligenscheinen, Kränzen, überretouchierten Fotos, ornamentalen Verzierungen, bunten Lämpchen oder Plüschhöhlen haben wir über.

  40. Noch immer gibt es kein anständiges Mittel gegen Kater. Aber auf den Mond fliegen, das können sie.

  41. Die Floskel "Aber auf den Mond fliegen, das können sie ...".

  42. Diese Klumpschuhe, die Damen hässlich aussehen lassen und den Gang verhunzen. Wenn schon hoch, dann aber Stilettos.

  43. Die idiotischen "Tags" bzw. Kürzel, die hirnamputierte Hiphopper überall hinschmieren. Da die Jugend, einfältig, wie sie nun mal ist, ja sowieso alles mitmacht, was ihr flottes Marketing vorbetet, ist ein Kreide-Revival für den persönlichen Ausdruck im öffentlichen Raum überfällig.

  44. Was da ist, wo es nicht sein soll: Langläufer auf Wanderwegen, Velos auf Trottoirs, Autos auf Velostreifen.

  45. Leonardo DiCaprios stets wie frischgebügelt aussehendes Gesicht. Da gehören jetzt endlich ein paar Lachfältchen hineinmassiert.

  46. Die öde Modefarbe Grau.

  47. All die Preisetiketten und Strichcodeaufkleber, die nur von CD-Hüllen und Buchumschlägen runterzukriegen sind, wenn man seine Fingernägel opfert und in Kauf nimmt, dass alles gräulich-klebrig verschmiert ist.

  48. Die auf Kinderkundschaft abzielenden Regale gleich bei der Kasse, an denen man mit den Kleinen ohne etwas mitzunehmen nur um den Preis von Geschrei, öffentlich ausgetragenem Autoritätskonflikt und bösen Blicken der restlichen Kunden vorbeikommt.

  49. Der Rasen im Zürcher Hardturmstadion muss dringend besser werden. Vielleicht müsste man einmal den Gärtner auswechseln, damit es richtig spriesst und nicht bloss sprosst.

  50. Geklonte Schafe wie Dolly. Wenn Gott gewollt hätte, dass wir Schafe klonen, hätte er doch wohl nicht so viele davon gemacht!

  51. Die Behübschung von Gerichten durch nutzlos am Tellerrand liegende Schrumpelgurken und altersschwache Tomatenscheiben.

  52. Shampoos, deren müder Klickverschluss in der Sporttasche ganz alleine aufgeht.

  53. Pressluftbohren exakt von 7 Uhr bis 7.47 Uhr in städtischen Gebieten, in denen der Bürolist heimisch ist, der eher gegen 9 Uhr zur Arbeit geht.

  54. Dass die Zürcher SP ihren Propaganda-Müll in Briefkästen auch dann hineinwürgt, wenn klar darauf steht, dass man präzise keinen SP-Propaganda-Müll haben will.

  55. Bahnhofansagen genau dann, wenn der Zug einfährt. Weil man die nämlich nicht hört.

  56. Am Schalter hinter Menschen zu stehen, die ihr Portemonnaie zu langsam ziehen und nicht auf den Punkt kommen.

  57. Leute, die selbst im vollen Tram immer auf dem äusseren Sitz festkleben und sich pikiert erheben, wenn sich jemand neben sie setzen will.

  58. Walliser-Quoten-Moderatoren bei der SRG bedürfen am TV der Untertitelung, am Radio brauchen sie Simultanübersetzung.

  59. Dieter Moor in Form von "Nightmoor".

  60. Brutales Airconditioning, das uns im Sommer, wenn wir kurze Röcke und dünne Leinenanzüge tragen, dazu verdammt, in zehn Grad kalten Kinos, Bars oder Flugzeugen zu erfrieren.

  61. Die Umständlichkeit von Anrufern in Talkshows, die sich nicht nur in langen Begrüssungen ergehen, sondern auch noch erklären: "Ich habe eine Frage." Deshalb rufen Sie ja an, Einstein.

  62. Popcorn im Kino, insbesondere in sentimentalen Filmen, wo Geräusch- und Geruchsimmissionen noch den psychologisch ausgefeiltesten Hollywood-Tricks den Garaus machen.

  63. Durchfallbrauner Solarium-Teint, der einen ja doch nur an den gravierender werdenden Problemkomplex "Hautkrebs" erinnert.

  64. Die Ausreden "Das haben wir noch nie so gemacht", "Das ist nicht vorgesehen", "Ich weiss gar nicht, wie viel ich dafür verrechnen muss" und "Ich muss zuerst den Chef fragen, der ist erst morgen wieder da". Besonders ärgerlich ist das, wenn etwas prima gehen würde und nur an kundenfeindlicher Unflexibilität fantasiefreier Nervsäcke scheitert.

  65. Das ganze Jahr-2000-Tamtam mit Countdowns und Prophezeiungen und Weltuntergangsspinnern und hochtrabenden Das-Millennium-hinten-und-vorne-Phrasen. Nicht zu vergessen: das ganze Computer-geht-zur-Sau-Theater, an dem sich die entsprechende Branche gesundstösst - womit man sich knurrend abgefunden hat. Aber mit dem Problem soll man uns ansonsten nicht mehr länger belästigen.

  66. Verkaufspersonal, das mit dem Kreditkartenlesegerät nicht zu Rande kommt.

  67. Studenten und Studentinnen als Bedienung, die alles fallen lassen und weder zwei Weine auseinander halten noch sich eine Bestellung merken können.

  68. DJs und Radiostationen, die ständig "1999" von Prince spielen. Solche Plattheit ist noch schlimmer als Musikauswahl ohne irgendeinen Gedanken.

  69. Die Fragen und Antworten in der Tele-24-Partnervermittlungssendung "Swiss Date" sind lange vor Sendestart bekannt. Da könnte man mit den Kandidaten doch besser üben, damit das Ganze etwas flotter und spontaner daherkäme.

  70. Automatisierte Kinobillettbestellung per Telefon, die dazu führt, dass man statt zwei "Zorro"-Tickets sieben Eintritte für irgendeinen unerfreulichen Schwachsinn bestellt.

  71. Meerschweinchen. Ihre Lebenserwartung müsste herunterkorrigiert werden. Heute geht ihre Haltbarkeit über das Kinderzimmeralter der kleinen Besitzer hinaus und ragt ungut in die beginnende Pubertät hinein. Der Teenager interessiert sich dann nur noch für seinesgleichen, weshalb Unterhalt und Pflege der Viecher an den Eltern hängen bleiben.

  72. Die Unmöglichkeit, ein Fixleintuch zu falten.

  73. Der mit Abfallsteuer schon schwer belastete Abfallsack reisst gern und oft am Rand mit der Schnur, sobald man etwas in die leeren Ecken zu stopfen versucht. Hier tut das ökologisch geführte Schwert der Staatsmacht Not! Ruchlosen Sackproduzenten muss ein Riegel geschoben werden! Sinnloser Sackverschwendung muss Einhalt geboten werden, damit wertvolle Erdölreserven statt in Abfallsäcken vergeudet unseren Enkeln für die Produktion wichtiger Werkstoffe und lebensrettender Medikamente zur Verfügung stehen. Wir haben den Abfallsack von unseren Kindern nur geliehen!

  74. Den dumpfen VW-Spot, in dem Patty Schnyder einen schlechten Text runterleiert, der anzüglich insinuiert, dass der Tennis-Teen mit der eigenen Blechkiste verpartnert ist.

  75. Der nackte Geräuschterror von Handymelodien und das daran anschliessende Gesprächsgesäusel.

  76. Leute, die sich noch immer über Handys aufregen.

  77. Zeitgenossen ohne Telefonbeantworter.

  78. Serviertöchter, die erwarten, dass man noch genau weiss, was man alles konsumiert hat, wenns ans Zahlen geht.

  79. Die Aufforderung "Dörf ich no es Autogramm ha", wenn man etwas unterschreiben soll.

  80. Der "El condor pasa" spielende Panflötist. Seit Chile einigermassen zivilisiert ist, muss der chilenische Flüchtling nicht zwingend hier bleiben. Eine grosszügige und den chilenischen Spielmann konkurrenzierende Flüchtlingspolitik könnte mittels kongolesischer Bogenharfenkapellen unseren kulturellen Horizont erweitern und uns endlich von "El condor pasa" erlösen.

  81. Dass alles und jedes in eine Liste verpackt werden muss.

  82. Feiertage, an denen noch irgendetwas verboten ist, weil Feiertag ist.

  83. Der Expertenstreit, wann das Jahrtausend zu Ende geht. Bis zum 31. Januar hätten wir gerne Klarheit, denn das ganze Millennium-Theater möchten wir nicht noch einmal mitmachen müssen.